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Just One Shot – Kurz und schmerzlos

Was gibt es doch für atemberaubende Fotos. Immer und immer wieder sehe ich Bilder, die mich regelrecht sprachlos machen. Wenn man „vom Fach ist“, dann betrachtet man unweigerlich Bilder auf eine andere Art und Weise. Dies geschieht automatisch und man kann es auch nicht abstellen. Ein Umstand, der gewissen Fotos größten Respekt beschert, anderen Bildern lediglich eine hochgezogene Augenbraue. „Berufskrankheit“ kann man dies wohl nennen, selbst wenn man sich selbst in bester Form befindet. 

Doch kommen wir wieder auf die erste Aussage zurück und widmen uns „atemberaubenden Fotos“. Genauer gesagt Bildern aus dem Bereich „Portrait-Fotografie“. Bilder, die handwerklich klasse umgesetzt wurden. Bilder, bei denen die Lichtsetzung ähnlich aufwändig war, wie bei einem Bild aus der Food-Fotografie. Und ja, Food-Fotografie ist wohl die Königsdisziplin, wenn es um Lichtsetzung geht. Da wird selbst der langweilige und kontrastarme Blumenkohl in der dritten Reihe noch in Szene gesetzt. Perfekt ausgeleuchtet, sieht er doch wenigstens hier appetitlicher auf der Verpackung aus, als nach der Zubereitung am heimischen Herd, nachdem die Gewürzmischung oder sonstiger Kram dem Essen gemischt wurde. Lichtsetzung im Bereich Food ist ein Unterfangen, was Tage in Anspruch nehmen kann und dennoch dazu führt, dass nach dem Probebild der gesamte Aufbau des Bildes dem Erdboden gleichgemacht wird. Wer ein volles Haupthaar vor der Food-Fotografie hatte, der kann sich währenddessen dennoch in Kojak aka Telly Savalas verwandeln – binnen einer Woche! Und dabei hat der Blumenkohl sich nicht mal gewehrt!

Neben der Lichtsetzung und dem Handwerk ist natürlich auch das Motiv ausschlaggebend. Alles andere wäre irritierend. Doch um das Motiv soll es hier nicht gehen. Dazu vielleicht ein anderes Mal mehr! Es geht um die Lichtsetzung und das Handwerk! Und ja, vielleicht doch ein kleines bisschen um das Motiv selbst. Wobei selbst das Handwerk per se hier schon nebensächlich wird. Über dieses kann man sich bekanntlich herrlich streiten und dies soll nicht meine Absicht sein. 

Im Laufe der Jahre habe ich viele „Shootings“ gemacht. Unfassbar viele! Mit aufwändigen Aufbauten, bis hin zur perfekten Ausleuchtung. Bilder von Menschen für diverse Zwecke. Promo-Bilder, Produktionen für CDs, DVDs, Schallplatten, aber eben auch für journalistische Zwecke – sprich Magazine und andere Kanäle. Selbst Auftragsarbeiten für Bild-Agenturen kamen in der Zeit vor. Die Gemeinsamkeit all dieser Shootings? Das Kopfzerbrechen im Vorfeld! Sei es um das „wie und wo?“ oder der Umstand, dass man wusste, der Abzulichtende hat einen straffen Zeitplan. Auch der Umstand, dass man kiloweise Fotoequipment in unwegsames Terrain tragen musste, sorgte für Kopfschmerzen. Schon mal einen Künstler auf einem Festival abgelichtet? Sofern die geschossenen Bilder nicht nach „XY vor einem Maschendrahtzaun bei gefühlten 52,6 Grad in der Mittagssonne“ aussehen sollen, keine leichte Aufgabe. Denn – und dies vergisst man leider immer zu schnell – Terminpläne werden geschrieben, damit sie eben nicht eingehalten werden. Die eigenen Probleme lassen wir hier ausser Acht um die Komplexität zu minimieren. Verzögerungen und kurzfristige Absagen sind leider genauso normal bei solchen Terminen, wie der Umstand, dass man im Falle eines Shootings, den Protagonisten nicht zu sehr behelligen will. Kurzum: Es sollte schnell gehen, ohne nach „schnell“ auszusehen. Umso schneller, umso „prominenter“ das Motiv ist. Man will keinen Weltstar zu lange aufhalten, da man sich bekanntlich immer zwei Mal im Leben trifft – meist auf dem Weg nach Oben und dann wieder, wenn es steil bergab geht. Ein „Oh, I know your face“ ist in den seltensten Fällen positiv zu verstehen. 

Für eine nicht kurze Zeit war für mich die Frage aller Fragen, wie ich Zeitdruck und „soll eben doch nach einem Bild aussehen“ unter einen Hut bekomme. Den Rücken schonen, lästige Lichtsetzung vermeiden und dennoch spontan den Ort des Geschehens verändern können, waren hier wohl die drei wichtigsten Punkte. OK, und natürlich der Umstand, dass das Bild auch einen Abnehmer finden sollte. Was mit einer mobilen Blitzanlage begann, wurde über die die Zeit hinweg optimiert. Selbst zwei Blitzköpfe mit zugehörigen Stativen, Reflektoren und dem notwenigen Akku, bringen ein paar Kilo auf die Waage. Von der Lagerung auf einem Festival wie oben angesprochen, will ich gar nicht sprechen. Und dieser verdammte Wind, der jeden Blitzkopf schneller zu Fall bringt, als man nach dem Stativ greifen kann. Alleine was die Reparaturen über die Jahre hinweg gekostet haben, treibt mir heute noch die Tränen in die Augen. Doch wie ein schickes Bild machen und dabei in minimales Setup verwenden? Die zündende Idee kam mir während einer Diskussion mit einem befreundeten Fotografen. Dieser sprach davon, dass immer mehr Menschen sich einen Ringblitz für ihr Handy zulegen würden. Die inflationäre Zunahme von sogenannten Influencern sei hierfür verantwortlich – zumindest wenn man der Aussage des Freundes Glauben schenken mag. Sei es drum, das Schlagwort war „Ringblitz“. Der Umstand, dass man immer auf der Suche nach dem ehrlichen Bild ist, beflügelte die Idee, einen solchen anzuschaffen. Folglich konnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen konnte man einem „oh wow, das ist ja ein tolles Bild“ den Wind aus den Segeln nehmen, sobald man auf ein Bild angesprochen wurde, welches einen nicht unbekannten Menschen als Motiv hatte. Nein, dieser Mensch wurde mit einfachsten Mitteln abgelichtet und das geschossene Bild wäre auch mit einer x-beliebigen Person exakt so umsetzbar. Ein „hey, schau mal genau hin. Du findest das Bild nur so toll, da du den Künstler kennst und vergisst dabei, dass das Bild wirklich nicht schwer umzusetzen war“, war genau das, was ich so oft Menschen entgegenbringen wollte, wenn sie mich auf ein Bild ansprachen. Der zweite – und wohl wichtigere – Grund war, dass ich meinen Wunsch nach einem „leichten Setup“ direkt umsetzen konnte. Ein mobiler Ringblitz wird von Haus aus an die Kamera geschraubt und benötigt nur noch den Akku für den Betrieb. Im Grunde genommen war dieses Setup so handlich, dass man selbst mit angeschraubtem Blitz auf einem Festival noch einen Liveact ablichten konnte, sofern das Shooting verschoben wurde. 

Der Gedanke wurde zum Plan und kurzerhand umgesetzt. Kamera und Akku waren vorhanden, der Ringblitz wurde kurzerhand bestellt und wenige Tage später geliefert. Doch als dieser mich erreichte, war ich etwas enttäuscht. So handlich dieser war, mir fehlte die zündende Idee, wie ich Bilder umsetze, welche eben ohne großen Aufwand ausdrucksstark werden würden. Nach einigen Versuchen stellte ich fest, dass Motive vor einem dunklen Hintergrund eine gewisse Ästhetik hatten. Um mobil zu bleiben, bestellte ich Molton, welcher mit Gaffa-Tape kurzerhand überall aufgehängt werden konnte. Die Idee für „Just One Shot“ war geboren und die ersten Gehversuche sollten folgen. Was zunächst als „mache ich nebenbei“ bei Fototerminen umsetze, entwickelte sich schnell zu einem eigenständigen Projekt. Die Anfragen gingen raus und alleine der Umstand, dass ich nur eine Fototasche mit Kamera und befestigten Ringblitz, sowie einem Stück Molton und eben dem Akku benötigte, zauberte mir ein Grinsen ins Gesicht. Über die Jahre hinweg sind einige Künstler vor den Ringblitz getreten. Zugegeben, ein „Just One Shot“ kann so nicht umgesetzt werden, da ein einzelnes Bild doch etwas gefährlich wäre. Nach ein paar Versuchen im Freundeskreis und der Mitteilung, dass ein Ringblitz den Protagonisten innerhalb kürzester Zeit regelrecht erblinden lässt, ist der heutige Ansatz der, dass man maximal 5 Bilder anfertigt. 5 Bilder und kein Bild mehr. Aus Rücksicht gegenüber der temporären Erblindung, dem resultierenden Aufwand für die Nachbearbeitung und natürlich auch hinsichtlich des Zeitplans eines Künstlers. Denn man betrifft sich bekanntlich zwei Mal im Leben und ein „ich kenne deine Visage“ ist selbst nach vielen Jahren im Geschäft immer noch kein Kompliment!

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